Vorletzter Tag des Wochenbettes und ich liege – ganz ohne Scherz – das allererste mal einfach so mit meinem Baby auf dem Sofa. Herrlich!
Ok, ich hab mal wieder versäumt, mir was zu trinken mitzunehmen, aber was soll’s! Da liegt ein kleines Bündel Glück auf meiner Brust! Was ist dagegen schon Durst! ?
Alles in allem war das ein „Wochenbett Advanced“. Beim letzten Wochenbett hab ich gejammert wegen ein paar Geburtsverletzungen, der Enttäuschung pumpen zu müssen und der bleiernen Müdigkeit. So aus der „Ferne“ kommt mir mein drei Jahre jüngeres Ich ein wenig überempfindlich vor. Aber damals waren das meine größten Schmerzpunkte und mir die Länge der Skala noch nicht bewusst…
Dieses Wochenbett hatte schon so ein paar Low-Lights.
Gestartet bin ich ja mit einem Kreislauf-Kollaps noch auf dem OP-Tisch. Die Anästhesisten haben mich versucht „stabil“ zu spritzen, hat aber echt gedauert. Als eine Stunde nach dem Kaiserschnitt mein Blutdruck immernoch bei 220/140 war, ist die Diagnose HELLP Syndrom ins Spiel gekommen. Eine Blutentnahme und ein paar Stunden später, hatten wir dann Gewissheit und ich habe die erste Nacht als zweifache Mama auf der Intensivstation verbracht. Und zur weiteren Überwachung habe ich noch 3 Tage im Kreißsaal gewohnt. Weil dort 24/7 ein Gynäkologe vor Ort ist. Das waren dann drei Tage ohne Tageslicht…kennt ihr den Kreißsaal im UKA? Schön ist anders.
Selbst nach Entlassung hatte ich noch drei Wochen überirdischen Bluthochdruck. Hat aber keiner Kontrolliert. Im UKA war Streik und ich hatte besseres zu tun, als mich um meinen Blutdruck zu kümmern. Ich hab brav die meisten Tabletten genommen und auch ab und zu Blutdruck gemessen. Mehr war nicht drin.
Nach 50 Stunden wurde ich dann das erste Mal vom Kreißsaal aus mit einem Transportstuhl zu meinem Baby gefahren. Eine Stunde Ausflug habe ich von der Gynäkologin gewährt bekommen. Denn ich lag eigentlich noch am Magnesium-Tropf gegen eventuelle Krämpfe. ?
Endlich auf der Gynäkologischen Station angekommen, habe ich nach 2 Tagen den Weg zu Fuß ohne Transportstuhl und Fahrer angetreten. Vielleicht ist es nicht das beste, ein paar Tage nach dem HELLP Syndrom und einem Kaiserschnitt hunderte von Metern durch das Klinikum zu laufen, aber die Abhängigkeit von Fahrdiensten und Schwestern, die diesen Dienst ordern (und immer direkt noch mal Blutdruck messen) war mir zu viel.
Also, nix mit erst mal liegen. Ich hatte direkt Bewegung, wenig Pause, viel Stehen am Bett des kleinen Wurmes und habe eigentlich fast keine Rücksicht auf den eigenen Körper genommen. Irgendwie hat der das zum Glück mitgemacht. ?
Nachsorge hatte ich keine. Zum Glück, die Hebamme hätte eh nur mit mir geschimpft. ? Eigentlich wollte ich die Hebammensprechstunde im Klinikum in Anspruch nehmen, aber das Thema Streik hatten wir hier ja schon. Also: niemand der mal guckt, ob alles in Ordnung ist. Und niemand der schimpft. ?? zum Glück ist auch das alles gut gegangen. Es hat mir nur keiner das Pflaster von der Naht abgemacht. Das habe ich erst gemacht, als nach 2 Wochen das Baby von der ECMO kam. Da dachte ich: wenn er das kann, kann ich mir ein pisseliges Pflaster abmachen!! ?
Was von den Tränen der ersten paar Tage Hormone waren und was Sorgen um das Baby, kann ich nicht beurteilen. Aber anzufangen zu weinen, als die Schwester mir Blutdruck-Tabletten bringt und mir nicht sagen konnte, ob mit den Tabletten meine Milch weiter genutzt werden kann, ist im Nachhinein ein wenig „drüber“. Wenn ich aber überlege, wie es mir da ging, nur verständlich! Nach einer Woche, als die große OP vorbei und das Baby an der ECMO lag, gab es fast keine Tränen mehr. Ich habe nur noch funktioniert. ?
Wenn man nicht direkt ab Geburt mit dem Baby kuscheln und bonden kann, hat man schon eine etwas andere Bindung ans das Baby. Mir fehlen da die Worte. Aber alles in allem passt besonders häufig das Wort „Surreal“. Es war für uns eine derartig „besondere“ Situation. Unbeschreiblich.
Kaum kennen gelernt. Über drei Wochen Sediert. Keine Interaktion möglich.
Manchmal fragt man sich: Ist das wirklich mein Kind? Warum fahre ich nicht einfach nach Hause, koche was leckeres und gehe dann früh schlafen? Was geht mich das hier alles an?
Und dann steht man wieder am Bett dieses süßen Fratzes und denkt: wie knuffig! Den kann man hier doch nicht alleine liegen lassen!?
Und dann muss man es doch tun. Egal ob Wochenbett oder nicht, das ist das härteste an diesem Mama-Job. Das Kind alleine auf der Intensivstation zu wissen. Trotz wirklich tollen Personals ist einfach keine Bindungsperson da. Und das reißt ganz schön am Mama-Herz. Und besonders mit diesen Hormonen intus. ?
Mein Wochenbett hieß auch, dass ich nicht sagen konnte „lass das mal den Papa machen“. Wir haben direkt die Zeit mit den Kindern und die Wechselschichten pari pari aufgeteilt. Der Unterschied war anfangs, dass ich mit der großen nur am und im Haus gespielt habe. Sie hätte unterwegs nur permanent von mir getragen werden wollen, da sie aufgrund der stressigen Situation sehr viel Nähe brauchte. Und das wollte ich mir dann doch nicht antun. Papa hat Essen besorgt für die drei, die nicht auf der Intensivstation wohnten. Ich habe Essen beschafft für das Baby und habe regelmäßig gepumpt. Ansonsten war alles gleich verteilt.
Also…Wochenbett Advanced. Wobei ich bezweifle, dass ein „normales“ Wochenbett mit einer Dreijährigen im Haus viel kuscheliger gewesen wäre. ?
Aber insgesamt hätte ich mir während meines Wochenbettes doch gewünscht, weniger Sorgen haben zu müssen und weniger wuppen zu müssen. Und so denke ich an alle, die aus den verschiedensten Gründen auch kein kuscheliges und sorgenfreies Wochenbett haben. ?
Heute am letzten Tag des Wochenbettes und am 6. Wochengeburtstag des Herzkindes, fahren wir das erste mal für eine ambulante Untersuchung ins UKA nach Aachen.
Alles in bester Ordnung finden die Ärzte…also, bis auf die Bekannten Probleme eben ??