Wir sind beim Herzkind aus Überzeugung und aus organisatorischen Gründen mit einem 50:50 Modell als Eltern-Team gestartet. Wie wir uns in der Klinik-Zeit aufgeteilt haben, hab ich ja schon mal beschrieben. Jeder hat gleich viel Zeit mit beiden Kindern verbracht. Und das hat allen sehr gut getan!

Eltern-Team 50:50 pro Kind

50:50 bedeutet in meiner Eltern-Bubble, dass die sogenannte Care-Arbeit zu gleichen Teilen von Mama als auch von Papa erledigt wird. Also Kinderbetreuung, Haushalt, Kochen, Waschen, Putzen, Arzttermine organisieren, an Wechselwäsche denken, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke besorgen. Das ganze findet sich auch unter dem Begriff „gleichberechtigte Elternschaft„.

50:50 war möglich, weil beide Eltern Elternzeit hatten und das Herzkind die Flasche bekam. Nur das Milch-Pumpen hat die Rechnung ins Ungleichgewicht gebracht. Zeit, die ich zwar für ein Kind, aber nicht mit einem Kind verbracht habe. Ansonsten hatten wir eine 1:1 Betreuung für jedes Kind und jeder hat noch das vom Haushalt gemacht, was gerade am dringendsten war.

Das Modell tat allen sehr gut. Eltern konnten die Verantwortung teilen. Das Baby schlief viel. Die Kinder hatten (fast) immer einen Elter. Haushalt lief minimal nebenher. Ein optimaler Start nach den anstrengenden Wochen zwischen Klinik und Ronald McDonald Haus!

Die ersten Stillversuche haben dann dieses schöne und harmonische Modell gecrasht. Plötzlich war ein 50:50 pro Kind nicht mehr möglich, meine Zeit verschob sich natürlich in Richtung Baby. Die des Papas in Richtung Kleinkind.

Immerhin noch 50:50 Elternschaft!

Aus Sicht der großen Schwester war natürlich totales Unverständnis da, warum Mama anscheinend gar keine Zeit (und Geduld) mehr für sie übrig hatte. Pumpen fürs Baby und stillen des Babys nahmen schon 50% meiner Zeit in Anspruch. Und damit war weder ein Medikament verabreicht, noch abgehalten bzw. eine Windel gewechselt. Oder geschlafen, Toilette, Dusche…???

Auf einen Schlag hatte ich die alleinige Verantwortung dafür, dass das Baby satt wird und zunimmt. Und gleichzeitig überhaupt keinen Nerv mehr für das Kleinkind, also die große Schwester. Und weil ich keine Zeit und keinen Nerv hatte, wurde dieses Defizit schnell mit einem schlechten Gewissen ausgeglichen. Ich habe quasi hilflos zugesehen, wie mein kleines Mädchen in ihre Geschwisterkrise rutscht und hatte keine Kapazitäten, das adäquat zu begleiten. Dazu muss unbedingt noch ein eigener Artikel her. Aber am meisten gesehen haben wir die Geschwisterkrise in ihren Provokationen. Tat meinen Nerven totaaaal gut! Nicht.

Aus Sicht des Papas verschwand einiges an Papa-Sohn-Zeit, weil einfach die Flaschen-Mahlzeiten weggefallen sind. Hatten wir vorher beide einen Plan, wann das Kind hungrig oder müde war, hatte ab sofort nur noch ich einen Überblick, was als nächstes „dran“ war beim Baby. Dafür hatte er eher den Überblick über die Bedürfnisse der großen Schwester. Zum Glück ist sie schon während der Schwangerschaft zu einem richtigen Papa-Kind geworden. ? Wir hatten sie auch die ganze Zeit zu Hause. Die Tagesmutter hatte schon Urlaub. Und die Zeit, bis die KiTa anfängt, war noch lang – zu dem Zeitpunkt noch mehr als 5 Wochen!

Rein rechnerisch hatten wir immernoch ein 50:50 Modell. Aber es hatten nicht beide Kinder, obwohl beide komplett zu Hause betreut, jeweils gleich viel von uns. Und anders herum konnten wir Eltern uns nicht bei Schichtwechsel erholen. Nach vielen erzählten Geschichten des Kleinkindes kann das bloße Begleiten eines weinenden Säuglings schon mal entspannend sein und umgekehrt. Und diese Abwechslung fehlte und zog einiges an Energie bei beiden Eltern.

Das Ende von 50:50 heißt ungefähr 50:25…oder so?

Und dann lief der zweite Monat Elternzeit beim Papa aus. Zwar konnte er im Homeoffice doch noch sehr präsent sein, aber nicht so, dass beide Kinder dauernd mit einem Elter betreut werden konnten. Die erste Woche sind wir zu meinen Eltern geflüchtet. Oma und Opa verbrachte mit der großen Schwester Zeit, während ich versuchte das (immer und andauernd) unzufriedene Baby zu begleiten. Dass das keine easypeasy Aufgabe war, hab ich euch schon berichtet.

Nach der Woche war klar: alleine zu viert zu Hause mit einem berufstätigen Papa und ohne KiTa, haben wir keine Chance! Meine Mama ist dann zum Glück noch eine Woche mit zu uns nach Hause gekommen und hat uns noch eine Woche das Leben gerettet. Ich hätte sonst entweder mit beiden Kindern die Arzttermine auch in den Kliniken wahrnehmen, oder der Papa hätte permanent Urlaub nehmen müssen, oder wir wären verhungert, oder oder.

Zum Glück haben wir dann zeitnah einen Termin bei einer befreundeten Osteopathin bekommen und es fing auch direkt die Physiotherapie des verspannten Herzkindes an. Das hat das sehr angespannte Baby sichtlich „runder“ und entspannter gemacht und mich damit auch. Weniger Weinen war schon mal hilfreich! Allerdings für den Preis, 5 Mal am Tag nach Vojta zu turnen und noch mehr Zeit mit der Pflege des Babys verbringen zu müssen, die dann dem Kleinkind an Mama-Zeit fehlten.

Mit der Omi zum Spielen vor Ort, schnellen Mittagessen und viel Zeit, die der Papa mehr „Home“ als „Office“ gemacht hat, haben wir uns noch durchgeschleppt, bis wir noch ein paar Tage zu viert Campen gefahren sind, bevor endlich die KiTa wieder anfing.

Und nun sind wir in der Eingewöhnung. Ich genieße die ein bis zwei Stunden, in denen ich mich „nur“ ums Baby kümmern darf und der Papa mit dem Firmen-Telefon auf seeehr kleinen Stühlen hockt. Und doch habe ich beide Kinder den Rest des Tages bei mir. Oder fahre mal wieder zu einem Termin, während die Große mit Omi spielt und der Papa in der Mittagspause auch noch schnell kocht. Ich kann euch sagen: Tage mit einem Völlig-drüber-neu-KiTa-Kind, welches eifersüchtig auf das überhitzte-dauerstill-Baby ist, sind der blanke Horror. Und es gipfelte schon auch mal darin, dass ihre Aggressionen gegen den kleinen Bruder gingen. Denn waren die beiden zu Hause, hat sich trotzdem nur alles ums Baby gedreht und sie musste zurückstecken.

Vollzeit Mama im Dauerentscheide-Stress

Alles in allem habe ich unterschätzt, wie viel mehr „Baby“ ein so besonderes Baby ist. Es kann weniger „einfach so mitlaufen“ wie andere Babys, die neu in eine Familie kommen. Und nimmt damit der großen Schwester mehr Zeit und Aufmerksamkeit, als „üblich“. Und die müssen wir kompensieren. Dank Oma, Omi und abgesagten Telcos des Mannes, kommen wir gerade so über die Runden. Auch wenn man bedenkt, dass die Bedürfnisse aller bedacht werden müssen und ihre Bedürfnisse denen eines kranken Geschwisters nicht immer hinten an stehen dürfen, so ist es doch im Alltag schwierig, das zu bewerkstelligen und einzuschätzen.

Ist der Zusammenbruch und Wutanfall von ihr wirklich nur der Tatsache geschuldet, dass ihre Lego-Eisdiele zusammengekracht ist? Oder steckt da doch eher dahinter, dass ich seit einer Stunde stillend auf dem Sofa festhänge und nicht wie versprochen mitspielen kann? Lege ich dafür das weinende Baby nun ab und tröste sie, oder nicht? Entscheidungen, die ich alle paar Minuten treffen muss. Und wenn ich dann ihr Mama-Defizit am Abend erkenne, dann habe ich bestimmt das ein oder andere Mal falsch entschieden.

So viele wichtige Entscheidungen habe ich in meiner bisherigen Laufbahn als Projektleiterin oder PMO von wirklich großen Projekte NIE treffen müssen. Unverständlich für mich, dass Eltern und insbesondere Mütter nicht mit Handkuss nach der Elternzeit von der Straße eingestellt werden.

Lichtblicke

Entspannt sind inzwischen die Wochenenden, wo endlich wieder zwei Eltern da sind. Auch der Papa mehr Zeit hat mit dem Baby zu turnen und ich mal das Kleinkind satt und müde spielen kann. Und natürlich keine Termine für das Herzkind anstehen!

Wir hoffen jetzt auf die baldige komplette Eingewöhnung für die Große und mehr Entspannung durch Physio und Osteo für den Kleinen. Dann rückt auch der Alltag mehr in Richtung „normales“ Neufamilien-Chaos ??. Ein Jahr schreiben die Autoren des Geschwisterbuches vom Gewünschtesten Wunschkindes. Ja dann…melde ich mich nächstes Jahr nochmal…

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