„Das kann nie und nimmer alles in einem Jahr passiert sein!“
Das denke ich jedes Mal, wenn ich durch Fotos scrolle, Themen für den Jahresrückblog22 alias Jahresrückblick 2022 suche oder mich mit anderen über unsere Herzkind-Reise unterhalte.
Dass ich vor 7 Monaten noch schwanger war, halte ich für Humbug. Als wäre ich alleine in einem Raum-Zeit-Kontinuum gewesen und hätte 10 Jahre absolviert, während alle um mich herum einen Sommer erlebt haben. Oder als hätten die grauen Herren von Momo nur mir Zeit gestohlen, aber alle andern spielen noch mit Momos Freunden bei der alten Ruine.
Die Diagnose, dass das Baby in meinem Bauch einen Herzfehler hat, ist fast auf den Tag genau ein Jahr her. Kurz vor Weihnachten 2021 hatten wir Gewissheit. Die Zeit nach der Diagnose fühlte sich an, wie verzerrt und gedehnt. Ich war wie gelähmt. Unbeweglich. Auch im Kopf! Alles zäh, träge und dumpf.
Es hat gedauert, bis ich wieder klarer sehen und denken konnte. Und tatsächlich hat mir das Schreiben eines Blogs den Allerwertesten gerettet!
Zum einen hatte ich einen Ort, an dem ich alle meine Gedanken sortieren konnte. Und zum anderen habe ich durch den Blog so viel Zuspruch, Unterstützung, Mitgefühl und Hilfe erfahren, dass mich die Resonanz durch dieses schwere Jahr getragen hat und damit auch meine Familie!
Wenn mich also jemand fragt, wie ich das schaffe, dann sage ich, dass ich – dass wir – großartige Unterstützung hatten. Sowohl vor Ort, als eben auch vor den digitalen Lesegeräten und an den Like-Buttons! ❤️
Hört nicht auf, schwere Geschichten zu lesen und zu kommentieren! Ihr schickt damit jedes mal ne Schüppe Energie durch den Äther! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gut sowas tut! ?
Dank geht raus an euch, ihr Herzkind-Fans! Ihr seid großartig, stark, voller Liebe und Mitgefühl! ❤
Mein Rückblick auf meine eigenen Ziele für 2022
Ziele & Träume 2022 ? Ich?
Als ich erkannt habe, was in 2022 ansteht, hatte ich direkt den Impuls, mir die Bettdecke für 365 Tage über den Kopf zu ziehen. ???
Ich bin Coach. Also greife ich in meine Trickkiste und beginne, unsere Herausforderungen des Jahres 2022 zu reframen, also positiv zu formulieren. Denn, wenn wir – als Eltern-Team und als Familie – es schaffen aus diesen ganzen Herausforderungen gestärkt hervorzugehen, dann geht mehr als ein Traum in Erfüllung! ?
#1 —> ? Im Frühsommer kommt ein kleiner, heiß ersehnter, Herzkind-Kämpfer zu uns in die Familie!
Den ersten Punkt können wir abhaken! Am 13. Mai war es so weit. ❤️
#2 —>???? Wir werden für beide Kinder da sein, es wird ihnen an nichts fehlen!
Puh. Ich sag es mal so. Wir haben es versucht. Es war ne Menge Arbeit. Und es fehlte doch mal hier und mal da etwas. Aber alles in allem hätten wir es nicht besser machen können. Es war gut genug.
Bei der großen Schwester war oft der Stress sichtbar. Wir Eltern konnten unseren Stress und unsere Anspannung nicht für uns behalten. Aber ich behaupte, wir haben sie in der Zeit gut begleitet.
Der Kleine war natürlich manchmal alleine auf der Intensivstation, vor allem in der Zeit, wo er sediert war. Aber sobald er wach(er) wurde, waren wir bei ihm. Im Wechsel Mama und Papa. Sogar auf der Normalstation haben wir uns noch abgewechselt! Pumpen und Fläschchen sei dank.
Seit das mit dem Stillen klappt, sind die zweier-Teams nicht mehr so flexibel. Die Große lässt mich oft spüren, dass ich ihr zu wenig zur Verfügung stehe. Und ja, das ist bei Geschwistern so. Und nicht nur Herzkinder binden die Mama mehr. Also, ich sach mal. Punkt zwei auch erfüllt!
#3 —> ???? Obwohl wir für lange Zeit räumlich getrennt sind, wachsen wir als Familie zusammen!
DAS war meine härteste Prüfung. Alleine – noch Schwanger – im Krankenhaus. Dann die Zeit auf der Intensivstation, jeder Elter mit/bei einem Kind, das war schon ne sorgenvolle-trubelig-stressige Zeit.
Nach der ersten Zeit im Krankenhaus gab es später noch 4 Tage Krankenhaus-Aufenthalt für den Herzkatheter und dann noch einmal 9 Tage für die Korrektur-OP. Im Vergleich zu anderen Familien war das nichts! Aber für uns war es viel. Die vielen Wechsel in der Betreuung und Unterbringung – und die Flexibilität – waren hier unsere größte Stärke.
Die bestehenden Bindungen haben – soweit heute ersichtlich – nicht gelitten. Dafür sind aber Oma und Opa näher herangerückt. Ich erinnere ein Facetime-Gespräch mit der Tochter: „Vermisst du mich!?“ – „Neeeeein! Oma passt doch auf mich auf!“
Kann es was besseres geben!?
#4 —> ? Mein Eltern-Coaching-Business geht gestärkt durch unsere Bereicherung aus dem Jahr 2022 heraus!
Hm. Hier wäre es gut, wenn man meinen Mann und mich nicht getrennt voneinander befragt. ?
Nein, ich verdiene mit meinem Eltern-Coaching-Business aktuell kein Geld. Wie auch mit Pflege-Baby zu Hause!? Ich habe gefühlt 7 Monate lang nur Termine gemacht, Anträge gestellt, Rezepte besorgt, Medikamente bestellt…Ich bin froh, ab und an mal Duschen und im Hintergrund ein bisschen auf Social Media arbeiten zu können.
Was ist auf der Haben-Seite? Fast 70 Blog-Artikel! Und der Wunsch und die Vision in Zukunft mit Herzkind-Mamas zu arbeiten! Die Ideen sprudeln schon! Es fehlt nur an Zeit!
Mein Jahresrückblick 2022
Es gibt bis heute fast 70 Artikel im Herzkind-Blog, die detailliert den Ablauf der Geschehnisse dokumentieren. Diese ganze Geschichte hier wiederzugeben…äh…ich suche noch ein Argument…Moment. Ach, egal. Will sagen: ich hab keinen Bock auf ne Zusammenfassung. ?
Lieber möchte ich – für mich und für euch – ein paar meiner nigelnagelneuen Erkenntnisse dieses denkwürdig, spannenden, anstrengenden und am Ende erfolgreichen Jahres aufpinnen.
Und euch damit auch zeigen: es ist gut, so wie es ist, auch wenn nicht alles gut ist.
Fangen wir mit der spannendsten Selbsterkenntnis über das Thema Ersttrimester Screening an.
Das Ersttrimester-Screening, war ich naiv und ableistisch?
Wir waren fast genau vor einem Jahr beim Ersttrimester Screening. Wir wollten sichergehen, dass das Baby „gesund“ ist. Und wieder mal muss ich feststellen, wie naiv ich doch bin.
Erstens untersucht man beim Ersttrimester Screening – wenn man ehrlich zu sich ist – hauptsächlich, ob das Baby ein Down Syndrom oder andere Trisomien hat oder nicht. Um „gesund“ ging es mir persönlich da überhaupt nicht! Da war ich nicht einmal ehrlich zu mir selbst, geschweige denn gegenüber anderen! Deswegen ableistisch.
Zweitens bedeutet es nicht, dass das Baby im Endeffekt nur die Diagnosen hat, die im Ersttrimester-Screening gestellt werden. Die meisten Babys kommen tatsächlich „gesund“ zu Welt, die meisten Behinderungen oder (chronischen) Krankheiten „erwirbt“ man erst später. Wie in unserem Fall die Schlaganfälle bei/nach der ersten OP. Deswegen auch keine Garantie auf „gesund“.
Wir wollten beim Ersttrimester-Screening – im Nachhinein betrachtet – uns selbst davor schützen, sich mit dem Thema „Behinderung“ auseinandersetzen zu müssen.
Und nun, ein Jahr später, haben wir es getan. Uns mit dem Thema „Behinderung“ auseinandergesetzt. Ein paar toxische Glaubenssätze ausgemistet. Und was soll ich sagen? Hat gar nicht weh getan!
Ach ja. Ich möchte nicht das Ersttrimester-Screening verteufeln! Ich möchte nur sagen: seid ehrlich zu euch selbst, warum ihr die Pränataldiagnostik-Untersuchung machen lasst. Und überlegt euch im Vorfeld, was ihr macht, wenn ihr eine Verdachts-Diagnose erhaltet!
Und: Wenn ihr nur wegen der schönen Bilder und der Bestimmung des Geschlechtes zur Pränataldiagnostik geht, gilt das gleiche: überlegt euch im Vorfeld, was ihr macht, wenn ihr eine Verdachts-Diagnose erhaltet!
Wege aus dem Nebel einer Herzfehler-Diagnose und der Gefühlslotterie
Als ich so durch die Fotos von 2022 flippere, fallen mir krasse Bilder auf. Da ist eine komische Version von mir zu sehen: Schwanger! Ohne Witz! Ich kann mich nur noch schwer an eine Schwangerschaft erinnern. ?
Vielleicht, weil sie mich körperlich an meine Grenzen gebracht hat. Vielleicht, weil sie von der Diagnosestellung des Herzfehlers und den ganzen Ängsten und Sorgen belastet war. Vielleicht, weil danach so viel Leben passiert ist, dass die Schwangerschaft einfach hinten aus dem Gedächtnis wieder heraus geplumpst ist. Who knows!
Dabei habe ich das Gefühl, aus dem Nebel der Diagnose relativ schnell und gut wieder herausgefunden zu haben. Ich hab mir Wissen reingeschaufelt, Pläne gemacht, Netzwerk akquiriert. Ich habe geschaut, was „mein Tanzbereich“ ist. Was ich selbst beeinflussen und gestalten kann. Und auf das habe ich mich konzentriert.
Dinge außerhalb meines Tanzbereiches, habe ich mir angesehen. Habe mir verschiedene mögliche Szenarien angeschaut oder ausgedacht. Habe Berührungsängste erkannt und gemindert. Habe akzeptiert, wo nichts zu ändern war. Habe Vertrauen geschenkt, wo andere ihren Tanzbereich hatten.
Und so bin ich nach und nach durch die verschiedenen Gefühle „gereist“. Durch Trauer, Angst, Wut, aber auch Freude über den zukünftigen Sohn. Alles dabei. Immer im Wandel. Eine Gefühlslotterie!
Ja, so kann man meine Schwangerschaft zusammenfassen: eine Gefühlslotterie!
Die ganze Geschichte findest du chronologisch auf meinem Herzkind-Blog.
Lade dir gerne meine Tipps herunter:
Abschied von Träumen und Vorstellungen
Der Anfang vom Jahr war geprägt von Abschieden. Keinen „realen“ aber dennoch schmerzlichen. Ich wollte ein artgerecht-Baby. Eine problemlose, harmonische Schwangerschaft. Irgendwo eine ruhige Geburt. Danach kuschelnd zum Stillen kommen. Mit der großen Schwester kuschelnd Familie werden.
Und von all diesen Träumen, Erwartungen und Wunschvorstellungen musste ich mich verabschieden.
Zunächst mit einem dicken Fruchtwasser-Problem, genannt Polyhydramnion. Das hat mich ab dem 6. Monat, also ab Februar, so richtig ausgeknockt. Der Tiefpunkt kam kurz vor der Geburt im Krankenhaus. Ich konnte nicht mehr schmerzfrei Atmen oder Liegen. Ich kam auch nicht mehr aus dem Bett oder hinein. Alles war schmerzhaft und beschwerlich. Eigentlich ist die große Schwester da schon zum Schattenkind geworden. ?
Dann das „anfangs nicht stillen dürfen“ aufgrund des Darmverschlusses (Double Bubble Sign) und die Notwendigkeit einer Darm-OP in den allerersten Lebenstagen. Bis dahin trug mich der Gedanke, dass – trotz Herzfehler – die Sauerstoffsättigung für einen kuscheligen Start mit Baby ausreicht.
Zum Glück traf ich Weggefährtinnen. Bei Magdalene Stosik fand ich einen kostenlosen Kurs um Herzkinder zu stillen! Und eine tolle Gruppe bei Facebook mit Eltern und Familien von Herzkranken Kindern.
Und dann der Abschied von der „Kleinstfamilie“. Wie wird es zu viert? Vor allem, wenn Nr. 4 mehr Aufmerksamkeit benötigt als ein gesundes Baby? Reißt uns der Stress auseinander? Oder bekommen wir es irgendwie hin, dass niemand auf der Strecke bleibt?
Unausgesprochen noch die Angst, sich von den Träumen für die Zukunft verabschieden zu müssen. Können wir mit unserem neuen Wohnwagen weg? Was ist mit der gewohnten aktuellen Lebensplanung, dass beide Eltern irgendwann wieder arbeiten? Und was ist, wenn das schlimmste eintritt? Dass der Herzfehler schwerwiegender ist, oder es Komplikationen gibt und wir uns vom kleinen Kämpfer wieder verabschieden müssen?
Keine leichte Zeit! ?
Herzkinder – geht das auch BO & artgerecht?
Ich bin artgerecht®-Coach. Und ich befasse mich seit mehreren Jahren nun schon mit „BO“. Also Bedürfnis- oder Bindungsorientierung. Mir sind diese Themen so wichtig, dass ich meine Kundschaft „ausgetauscht“ habe. Nicht mehr Anzugträger aus der IT oder den Chefetagen werden von mir betüddelt, sondern Eltern, insbesondere Mamas, die einen anderen, neueren Weg gehen möchten. Nämlich bedürfnisorientiert oder artgerecht.
Und nun bekommen wir dieses besondere Baby und die mitgebrachten Besonderheiten torpedieren genau das: eine bedürfnisorientierte und artgerechte Geburt, ein kuscheliges Kennenlernen des Babys, eine sanfte und artgerechte Ankunft auf dieser Welt.
Während ich mir in den ersten Monaten des Jahres Sorgen deswegen gemacht habe, konnte ich mir in der Zeit im Krankenhaus nicht einmal mehr Gedanken deswegen machen. Überleben ist eben noch wichtiger, als eine starke Bindung oder das Bedürfnis nach Nähe.
Doch ich habe Milch abgepumpt. In der Hoffnung, dass wir den Schritt, nein Sprung zum Stillen, noch schaffen. Und wir haben es geschafft. Mit etwas Arbeit, viel Gemeckere, aber sehr lohnendem Ausgang! Bis jetzt Stillen wir voll! Tschakka!
Heute haben wir ein Still-, Trage- und Abhalte-Baby, das seinen Platz im Familienbett und seine „Selbstständigkeit“ durchaus genießt!
Klar geht das bedürfnisorientiert und artgerecht!
Den Kopf beruhigen – von der Organisation, dem Dorf, agiler Planung, Eltern-Teams und Rollen
Ich bin Projektleiterin. Und so habe ich gerade in der Anfangszeit meinen Kopf mit etwas abgelenkt und beschäftigt, was er kann: Pläne und Konzepte machen. Das hat mir unheimlich geholfen. Weil es mich handlungsfähig gemacht hat. Anstatt mich als Opfer der Situation hinzugeben, bin ich das Thema proaktiv angegangen. Schön mit System natürlich!
Welche Personen und Faktoren haben mit dem Thema zu tun? Wer hat welche Bedürfnisse? Und was kann jeweils geplant, besprochen oder vorbereitet werden?
Und was ich auch mochte: das Gefühl vorbereitet zu sein. Selbst wenn manches Vorgedachte nicht passen oder passieren würde, einige Gedanken und Vorbereitungen passen bestimmt wir Hintern auf Eimer! Und jedes vorbereitete Detail, welches hilfreich war, hat mir Aufwind gegeben! Wieder Tschakka!
Und so hat unsere Planungswand zu Hause einen Schub neuer Zettel bekommen. Ich hab mich in die Rolle der Managerin meines Sohnes eingefunden (ich nenne es „Gesundheitsmanagerin“). Oma und Opa wussten um ihre Rolle und ihre Aufgaben. Das „Dorf“ in Aachen war instruiert.
Wir haben Strategien gegen das Schattenkind-Dasein der großen Schwester ausgetüftelt und ausprobiert. Und wir haben mehrere Optionen entworfen, wer wo wohnen könnte und wovon es abhängt, wer wo wohnt. Alle in Aachen verteilt auf Krankenhaus und Ronald McDonald Haus, oder Papa und Tochter mit Oma zu Hause. Am Ende hatte ich das Gefühl, die Bedürfnisse aller waren mitgedacht worden.
Und so konnte ich mich entspannen und auf die Geburt warten! OK, der Bauch hat mich nicht entspannen lassen. Aber ich konnte Kopf-entspannt die Zeit im Krankenhaus absitzen!
Ein paar Erfahrungen haben es auch in Blogartikel geschafft.
Das Baby auf der Intensivstation – Kampf gegen die Ohnmacht
Ach war das doof, nach der Geburt das erste Mal auf der Intensivstation. Ich wurde auf einem gelben Transportstuhl mit Magnesiumtropf und Blasenkatheter von der netten Hebammenstudentin gefahren. Ich noch voll unter Drogen vom HELLP-Syndrom. Konnte mich nicht mal auf den Beinen halten.
Da werde ich also auf die Intensivstation gerollt, auf der ich mich nicht auskenne, kann mich nicht frei bewegen und mir das Tempo selbst aussuchen, mit dem ich ins Geschehen eintauche und besuche nach 50 Stunden zum ersten Mal mein Baby. Mit ner Rakete ins All auf den Mond, muss eine ähnliche Erfahrung sein. Ich total überfordert und unsicher. Und mit einem Stress im Nacken, den ich gar nicht fassen konnte. Hierauf war ich NICHT vorbereitet.
Im Nachhinein weiß ich, dass ich das Gefühl hatte, Verantwortung zu haben. Schließlich bin ich die Mama! Ich, die sich nicht auf den Beinen halten kann! Ich, die keine Ahnung von den ganzen Geräten und piepsenden Kurven hat! Ich, die dieses Baby weniger gut kennt, als die nette Pflegerin daneben! Dieser Verantwortung kann ich nicht gerecht werden.
Meine Erkenntnis, die ich erst Monate später erlangt habe: das musste ich auch nicht! Auf der Intensivstation hat die Mama nicht die Verantwortung! Krasse Erkenntnis, die mein Unterbewusstsein immernoch nicht wirklich erreicht hat.
Diese Erkenntnis und noch ein paar mehr Tipps gegen die Ohnmacht auf der Intensivstation habe ich aufgeschrieben. Mögen sie Mamas und Papas helfen, die auch in diese einfach nur doofe Situation kommen, dass sie ihr Baby oder Kind auf der Intensivstation besuchen müssen.
Auf der Intensivstation habe ich „live“ einige Artikel geschrieben. Stoff für einen ganzen Abend!
Mit Baby zu Hause – Narben, Medis geben, Therapien – Normalität üben
Und dann, nach schier endlosen Wochen endlich zu Hause! Endlich so etwas wie Wochenbett!
Ääääh…nein. Anträge schreiben und verschicken, Milch abpumpen, Rezepte besorgen, Flasche geben, Medikamente bestellen, Milch abpumpen, Medikamente aufziehen, Flasche geben, Medikamente verabreichen. Widersprüche formulieren. Arztbrief lesen. Müde sein.
Das Herzkind anfangs noch entspannt, wird nach zwei Wochen zu Hause sehr gestresst. Weint viel. „Nie zufrieden“ heißt ein Blogartikel. Unsere Nerven werden dünner. Die Gespräche weniger. Die Stimmung gedrückter.
Die Schattenkind-Schwester leidet. Wir planen und strukturieren um. Mehr Exklusivzeit für sie ist die Devise!
Alle zwei drei Tage wird der Alltag unterbrochen – oder ergänzt? – von Terminen bei der Kinderkardiologin, Schädelsonographie, Herzultraschall, Physiotherapie.
Manchmal bekommen wir Besuch. Vom Bunten Kreis, vom MDK, vom Jugendamt, von den frühen Hilfen, vom Pflegedienst.
Und bei jedem Wickeln der Blick auf die Narben als Zeichen dafür, was der kleine Kämpfer schon alles durchgestanden hat.
Das Thema Herzfehler bestimmt in den ersten Monaten ALLES! Erst nach der OP am 10.11.2022, seinem zweiter Geburtstag, seinem Herzgeburtstag, ändert sich die Lage.
Endlich ein entspanntes Kind. Endlich Entwicklung möglich. Endlich „normaler Babyalltag“. Endlich entspannteres Familienleben! ?
Artikel über das Leben mit Herzbaby zu Hause werden ständig ergänzt!
Mit Baby beim Arzt oder Therapeuten – von Bedürfnisorientierung, Fleiß und Mühe
Einerseits möchte ich wie eine Löwin die Unversehrtheit meines Babys schützen. ? Andererseits möchte ich natürlich die bestmögliche medizinische Versorgung für das Herzkind, um ihm ein langes und aktives Leben zu ermöglichen. ?
Und Zack sitzt man in einem Dilemma, das schlechte Gewissen im Nacken, ein dauerndes „es tut mir so leid“ an das Herzkind.
Wenn ich ihm Medis verabreiche oder Physio turne, findet er es richtig Kacke. Aber ich versuche es ihm so angenehm wie möglich zu machen. Bei den Medis schnell Milch hinterher geben. Bei den Physio-Übungen mal was weglassen, mal was abkürzen. Irgendwas, was es dem Mamaherz leichter macht.
Sind wir beim Arzt oder Therapeuten, ist dieses „so angenehm wie möglich machen“ echt ein Akt!
Viel Kopfarbeit ist nötig, um auch in den stressigen Situationen den Mut aufzubringen und für das Herzkind Partei zu ergreifen.
Und auch einige Erfahrung ist nötig. Wissen über die Abläufe in den verschiedenen Praxen helfen. Oder das Kind zu kennen. Wie kann ich es am besten halten, dass es sich sicher fühlt? An welcher Stelle ist die Blutabnahme am erfolgsversprechendsten?
Und so lerne ich in diesem Jahr, den Respekt vor den weißen Kitteln im Zaum zu halten, damit mehr Raum bleibt für die Bedürfnisse des Herzkinds.
Alle Artikel zu diesem Thema gibt es hier.
Hilfe annehmen ist schwer, das Thema Nachteilsausgleich
Das neueste Wort in meinem Vokabelheft ist „Nachteilsausgleich“. Es kommt irgendwie total unscheinbar daher. Und so könnte man es fast ignorieren. Einen Nachteilsausgleich bekommt man nicht frei Haus, nicht automatisch, nicht aufgedrängt. Man muss darum bitten, Anträge stellen. Argumentieren. Kämpfen. Kurz darüber nachgedacht, macht allein das Wort schon müde und frustriert.
Und gleichzeitig ruft das Unterbewusstsein: Nein! Brauchen wir nicht! Wir haben keine Nachteile! Das ist das normale Leben! Wir sind erwachsen, finanziell unabhängig, mündig und haben bisher einiges gewuppt! Wir brauchen nichts! Niemanden der sich einmischt! Kein Mitleid! Keine Hilfe, keine Almosen!
Es hat bei mir ein bisschen gedauert. Zu lange wahrscheinlich. Die Erkenntnis, dass der kleine Kämpfer und wir als Familie doch mehr Nachteile einstecken mussten und weiter müssen, als ich wahrhaben wollte. All die Zeit, die wir in die Pflege investieren, geht entweder von der Zeit mit der großen Schwester ab (was wir tunlichst zu verhindern versuchen, Stichwort Schattenkind), von Arbeitszeit (aktuell in Elternzeit noch gerade so zu wuppen, aber was ist danach?) oder von der Hausarbeit. Und diese Löcher versuchen wir zu stopfen. Zu zweit als Eltern-Team, gemeinsam mit unserem kleinen Dorf.
Und so haben wir Hilfe beantragt. Zusätzlich zu unserem „Dorf“ haben wir Unterstützung im Form einer Familienpflegerin. Die kann eigentlich alles, was wir Eltern auch können. Haushaltsführung, Kinder versorgen, Waschen, Kochen, Einkaufen. Wir haben mit ihr besprochen, dass sie wöchentlich einen „Grundputz“ für uns macht. Die Familienpflegerin macht somit 2 Stunden Haushalt die Woche als Ausgleich z. B. dafür, dass ich 2 Mal die Woche mindestens zu Ärzten tingele und noch einmal zur Physio. Ein kläglicher Ausgleich, aber er ist da. Ich muss nicht auch noch meine Große vertrösten, nur weil ich staubsaugen oder das Bad putzen muss. Das nimmt viel Druck.
Finanzielle Nachteilsausgleiche sind die Zahlungen der Pflegekasse. Mit einem Pflegegrad kommt Pflegegeld einher, und nach 6 Monaten auch ein Betrag für die sogenannte „Verhinderungspflege“. Geld, dass wir dazu verwenden könnten, eine Pflege zu organisieren, um selbst einmal „Urlaub“ von der Pflege zu nehmen. Und wir haben Anspruch auf monatliche Pflegemittel, wie Handschuhe oder Masken. Alles Verbrauchsmaterial, welches in der Pflege anfallen könnte.
Wir haben auch einen Schwerbehindertenausweis beantragt. Der kann für weitere finanzielle und organisatorische Erleichterungen sorgen. Freibeträge bei der Steuer, vergünstigte Eintritte und Fahrkarten, in besonderen Fällen auch kostenloses Parken. 100 Prozent ist sein Grad der Behinderung. Wir schwanken sehr, ob uns das freut oder nicht. Auf den tollen orangenen Parkausweis, mit dem wir auf öffentlichen Parkplätzen kostenlos stehen dürfen, warten wir noch!
Und das sind nur die Nachteile, die wir im hier und jetzt haben und „ausgleichen“ können. Nicht mit eingerechnet sind da Nachteile, die auf den kleinen Kämpfer zukommen können. Ihm später zu erklären, dass er keinen Anspruch auf Pflegegeld, eine Integrationskraft, einen Schwerbehinderten-Ausweis oder einen Nachteilsausgleich für chronisch kranke Kinder in der Schule hat, wäre schlicht peinlich. „Nein, liebes Herzkind, du hast keinen Nachteilsausgleich. Das war uns damals irgendwie … unangenehm. ??♀️“
Mein Learning: Wäre ich zu stolz Hilfe anzunehmen, würde ich mein Kind mit meinen eigenen Glaubenssätze zum Thema Behinderung behindern. Ist das zu fassen?
Alle Artikel zum Thema „Nachteilsausgleich“ gesammelt gibt’s hier.
Auf Ungewissheit vorbereiten – unsere Wundertüte (Entwicklungsverzögerung, Schlaganfall, nächste Ops)
Heute, ein Jahr nach der Diagnose, haben wir ein 7 Monate altes Baby mit operiertem Herzen. Und da mit geringer Sauerstoffsättigung anscheinend bei ihm keine Entwicklung möglich war, hat unser Baby ein Entwicklungsstand eines circa zwei Monate alten Babys.
Seit der OP sind die Fortschritte sichtbar! Er ist fitter, neugieriger, „kommunikativer“!
Aber wo hören die Fortschritte nach der Herz-OP auf und wo fangen die Einschränkungen durch die Schlaganfälle an?
Wir leben hier mit einer Wundertüte zusammen. Das MRT-Ergebnis von Anfang Juni war erschreckend, aber mehr wissen wir seitdem auch nicht.
Immernoch ist der Status: „Was er nicht können wird wissen wir erst, wenn er es nicht kann!“
Und so steuern wir weiter durch Nebelschwaden. Manchmal geht’s es uns gut und wir sehen klar! Und manchmal beschleichen uns wieder die Gedanken und Sorgen.
Wird er sitzen, krabbeln, laufen lernen?Kann er sehen, hören und riechen? Und was macht sein Kopf mit diesen Eindrücken? Wird sich das Sehen noch weiter entwickeln? Lässt die Fazialisparese komplett nach? Kann er die Entwicklungsverzögerungen jemals aufholen?
Manchmal wünsche ich mir, es alles vorher zu wissen. Manchmal genieße ich die aktuelle Situation, nicht den weiteren Verlauf zu kennen.
Vor fast genau einem Jahr schrieb ich den Halbsatz „zwischen nicht-zu-viel-Hoffnung-machen und Vorfreude“. Und ich habe das Gefühl, dass uns dieses „dazwischen“ noch so einige Jahre begleiten wird.
Die ersten Artikel zu unserer Wundertüten-Zukunft entstehen gerade…
Meine liebsten eigenen Blogartikel des Jahres 2022
Knapp 70 Blogartikel sind dieses Jahr entstanden. Gar nicht so einfach und doch so einfach, da die besten herauszusuchen!❤
- „Ich habe keine Hand frei…“, als ich endlich einen Monat nach Geburt meinen Sohn auf dem Arm hatte. Könnte jetzt noch heulen! Hier klicken zum mitheulen!
- „Der MRT-Ausflug“, als das Intensiv-Herzkind auf Reisen ging. Mindestens 3 Schichten Pfleger*innen wurden vorher wuschig gemacht, was alles dafür vorzubereiten wäre. Das größte Perfusor-Zuleitungs-Knäuel ever. Dazu eine aufregende Fahrt bis in den Keller zum MRT… und ich saß davor, schrieb diesen Blogartikel. Dem Herzkind ging es da noch nicht gut, war noch sediert. Die Wahrscheinlichkeit, dass die MRT-Bilder böses zeigen, war hoch. Aber alle „Mitreisenden“ waren sehr entspannt. Wir hatten das Schlimmste hinter uns. Es war so eine Art Euphorie zu spüren! Hier entlang zum mitreisen!
- „Für ein Leben ohne Barrieren“, in dem ich auf der Suche nach meinen Glaubenssätzen zum Thema „Behinderung“ bin und den Bogen schlage zu einer bewussten Elternschaft. Ist mir grandios gelungen. Also das Ding mit der Erkenntnis UND der Artikel natürlich. Der Text entstand für die Blogparade der lieben Birthe von den Leuchtturm Eltern! Hier ist mein Beitrag zur Blogparade!
Mein Jahr 2022 in Zahlen – privat und beruflich
- 70 Tage im Krankenhaus (57 + 4 + 9)
- 103 Tage schwanger (echt!?)
- 11 Tage Wohnwagen
- 602 Insta Follower (Vorjahr 457)
- 111 Facebook Follower (Vorjahr 61)
- 197 Menschen auf meiner E-Mail-Liste (Vorjahr 115)
- 4300 Google Seitenaufrufe (Vorjahr 171)
Was 2022 sonst noch los war
Meine Ziele für 2023!
Ich sage immer, Planung ist keine Zukunftsvorhersage…also haue ich mal was raus!
- Es gibt Mamas oder Eltern, die sich bei mir bedankt haben, weil sie sich aufgrund meiner Arbeit gut auf den Start mit einem Herzkind vorbereitet fühlen!
- Es gibt Mamas oder Eltern, die mir für meine Arbeit Geld zahlen. Und zwar so viel, dass ich keine roten Zahlen mehr schreibe!
- Ich knacke die Marke von 1000 Followern auf Instagram!
- Dank Reginas Training habe ich wieder eine starke Mitte und kann gaaaanz langsam das Laufen wieder anfangen! (Affiliate Link!)
- Das Herzkind lernt aufgrund unserer Förderung sitzen und krabbeln (und kommt im August in den Kindergarten!)
- Ich starte im Herbst ein Jahres-Angebot für (Herzkind-)Mamas, die sich mehr mit dem Thema Elternschaft beschäftigen wollen!
- Ich schreibe den Jahresrückblog 2023!
Die „starke Herzkind Mama“ wird ein richtiges Business! ❤️
Liebe Claudia!
Ganz viel Liebe ? geht raus an dich!
Ich habe so oft an dich gedacht in diesem Jahr. Habe mitgelesen, mitgeweint, mit gebangt, mich mitgefreut und immer wieder gebetet für euer Wunder-Herz-Kind.
Ich freue mich für jede Mama, die sich im nächsten Jahr von dir begleiten darf. Du bist eine tolle Frau.
Herzliche Grüße, Judith
?
Wow! So ein berührender Artikel! Ich wünsche euch alles Glück dieser Welt für ganz ganz viele glückliche gemeinsame Jahren.
Vielen lieben Dank, Anja!
Es ist wirklich der wahnsinn, was ihr dieses Jahr durchgemacht und zum Glück, überstanden habt! Dein Interview wird im Januar online gehen, ich gebe dann Bescheid! Lieben Dank schon mal dafür! Alles Gute für 2023! Und falls du Bedarf an Pins hast, weißt du ja, wo du mich findet ;-) LIebe Grüße, Janin
Liebe Janin, möge es vielen (zukünftigen) Herzkind-Mamas helfen!
Auf die PINs komme ich zurück ??
Liebe Claudia, so viele Tränen hatte ich in den Augen beim lesen!! Und trotzdem weiß ich, dass sie mich nicht einmal ansatzweise erahnen lassen, wie es sich für euch angefühlt hat. Ich bewundere eure Liebe, euren Mut, den Zusamenhalt, das Aushalten, das Weitergehen, das Aufrichten & Ausrichten. Eure Stärke und Schwäche. Ihr seid so eine WUNDERvolle Familie ❤️
Oh liebe Prisca, nun hab ich Tränen in den Augen. ?