Wenn man bedenkt, wie alt das Herzkind „schon“ ist, und seit wann es erst selbst trinken darf, ist es schon ein super Erfolg, dass er sich so schnell selbst satt trinken kann.

Frisch geboren durfte er nicht trinken, aufgrund des Darmverschlusses.

Während er beatmet war, durfte er nicht trinken. Zu groß die Gefahr, dass Milch in die Lunge „gepustet“ wird. Also wurde die Milch über eine der beiden Sonden gegeben. Lange lag ja noch die Sonde im Darm. Und die im Magen sowieso.

Auf der Intensivstation hatten sie noch eine Pumpe ans Bett gelegt, um die Milch, die er nicht schafft, langsam zu sondieren. Was soll ich sagen: die haben wir nicht gebraucht. ? obwohl die Milchmenge sukzessive erhöht wurde, er hat immer alles aus der Flasche weggezogen.

Auch auf der Normalstation hieß es dann: was er per Flasche nicht schafft, muss über die Sonde rein. Die erste Mahlzeit hat er so weggehauen, da blieb nix übrig. Die zweite hat er verpennt, die wurde komplett sondiert. Und diese zweite Mahlzeit auf der Normalstation war damit die allerletzte Mahlzeit, die er nicht selbst getrunken hat. ? ist anscheinend doch mit mir verwandt. Essen geht immer. ?

Das kann auch daran liegen, dass der Papa und ich ihm die 45 Minuten Zeit gelassen haben, die er für die erst 80, dann 100 ml gebraucht hat. Aber schnell waren die Flaschen für ihn nicht reichlich genug gefüllt, und für den nächsten Tag musste die Milchmenge (damals ja noch Pampe) neu bestellt werden in der Milchküche. ???

Von der Brust in den Mund: ein Evolutionäres Erfolgsmodell

Aber nun die Frage: schaffen wir jemals den Sprung zum Stillen!? Denn zum Glück hatten wir bei der Entlassung ja den Freibrief bekommen, Muttermilch zu füttern. Und den Umweg der Milch über Pumpe, Kühlschrank und Flasche im Wasserbad nehme ich natürlich gerne in Kauf, wenn es nicht anders geht. Aber praktischer wäre ja die Abkürzung „Brust —> Mund“. Schließlich ist diese Abkürzung eine evolutionäres Erfolgsmodell ?

Ein Patentrezept für einen späten Stillstart gibt es keinen. Nur Grundvoraussetzungen: eine Brust mit Milch, ein Baby und viiiiiel Geduld. Nr. 1 und 2 sahen schon mal gut aus. Nr. 3 ist bei mir immer ein bisschen knapp bemessen. Und wie es um die Geduld des Herzkindes steht? Keine Ahnung. Hoffentlich ist er, was Hunger und Geduld angeht NICHT mir mir verwandt. ??

Dienstag. 1. Tag nach Entlassung: Am ersten richtigen Tag zu Hause habe ich den kleinen Kerl einfach mal angelegt. Er hat auch einmal angedockt. Anscheinend kann er es irgendwie!? Er hat ein bisschen Überrascht geguckt und dann war die Übung auch schon wieder vorbei.

Mittwoch und Donnerstag: Weiter üben. Aber die Gelegenheiten sind selten. Das Kind schläft den ganzen Tag…da einen Moment zu finden, wo das Kind wach, zufrieden, nicht hungrig und nicht satt ist, unmöglich. Damit er seine Mahlzeiten reinbekommt, schieben wir dir „Schoppen“ in den Mund und er trinkt im Halbschlaf. Alles andere als Artgerecht. Aber in einem gewissen Sinne Bedürfnisorientiert: essen muss er ja, zu viel Energie verballern will er nicht und sich von 5 Wochen Klinik zu erholen, ist auch sein gutes Recht. ??‍♀️ sogar mein Geduldsfaden weiß: auf den einen oder anderen Tag kommt es nun wirklich nicht an. Und auch bei der großen Schwester habe ich 6 Wochen lang mit Pumpen und Zufüttern verbracht, was sind da ein paar Tage? Nix.

Freitag, optimistische Nachricht an meine Schwester: „Wir haben gerade stillend mindesten einen Aperitif geschafft! Herzkind war total geflasht und hat richtig oft andocken geübt ??
Und danach war er total zufrieden, obwohl nicht satt! ?
Das wird noch! ????“

Das Problem mit meiner Geduld ist: wenn es keine Fortschritte gibt ist alles Takko. Aber wehe es sind erst Fortschritte zu bemerken und dann stagniert das ganze! Horror! Oder noch schlimmer sind Rückschläge ?

Samstag: Die Hebamme sieht: er trinkt! (Ein paar Minuten das eine Mal an diesem Tag) meine Geduld wird weiter getriezt: er kann es doch! Warum ist dann irgendwann Schluss?

Sonntag: Morgens fast eine Vorspeise geschafft stillend…das reicht wohl für den Tag. Kein andocken mehr möglich. Die Bude wird vor Hunger zusammengebrüllt…? meine Nerven. ?

Montag: angedockt bei 4 Mahlzeiten und bei der letzten hat er richtig gehend getrunken!!!

Dienstag: keine einzige Stillmahlzeit klappt. Nicht einmal andocken klappt. Alles ist Kacke, das Herzkind brüllt die Bude zusammen. Mama und Kind Schrott genervt. Tag abhaken!

Mittwoch: Die Brust wird angeschrien, die Flasche wird angeschrien. Überbordender Hunger, aber ein Bäuerchen sitzt quer. Zu gierig getrunken, was auch leicht ist mit der Flasche. Und auch leicht ist mit der Brust, WENN es dann mal läuft. Fruhuuust!

Donnerstag: Vormittags gebe ich Milch ins Stillhütchen, um seinen ersten Frust, dass nix kommt, zu mildern: klappt! Das Herzkind trinkt sich anscheinend satt genug. Danach gehen mit der Flasche nur noch 10 ml rein. Nachmittags gleiches Spiel: dem Schreienden Baby das mit Milch gefüllte Stillhütchen in den Mund gelegt…alles andere als „Artgerecht“ oder „Bedürfnisorientiert“, aber ein paar Anreize müssen wir setzen ???

Freitag: ich habe eine Spritze mit Sonde bestellt, um das Stillhütchen aus der „Ferne“ zu füllen. Die Spritze kommt pünktlich zum ersten Stillversuch. Ein Brusternährungsset war bei der großen Schwester immer nur eine große Schmiererei und damit für dieses Mal durchgefallen! Jetzt kann ich das Stillhütchen nachfüllen, bis der Milchspendereflex einsetzt. Beim ersten Versuch klappt es prima! Nur bisschen geht daneben und das Herzkind kommt zwar mit Protest, aber doch recht schnell ans Stillen. Versuch 2 Prima. Versuch 3: ein Desaster und ich dem Heulen Nahe. Ich breche ab, damit das Kind sich nicht so in Rage schreit und mache eine Flasche warm.

Dann rückt die Familie an! Ich wollte die Wochen, die hinter uns liegen, mit einem Sommer-Fest abhaken. Gleichzeitig feiern wir den Geburtstag der Großen nach und feiern die Ankunft des Kleinen! Damit nicht alles in Stress ausartet, gibt’s zum Abendessen eine dicke Flasche Muttermilch. Dann das zufriedene Kind in die Trage und eigentlich 4 Stunden Ruhe. Aber nach 3 Stunden schmatzt jemand an meinem Dekolleté herum. Also Flasche warm machen. Inzwischen ist das Kind schon wieder auf 180. Ich beschließe die Zeit, bis die Flasche warm ist, mit anlegen zu vertreiben. Denn das Kind hat sich ja eh schon in Rage gebrüllt… und was passiert? Es dockt an. ? und trinkt sich ne halbe Stunde fast ohne Unterbrechung satt. Danach versuche ich ihn noch im Bett liegend in den Schlaf zu stillen…klappt nicht. Stillen wohl, schlafen nicht. ? Grandioser Abschluss des Still-Tages!

Und dann denke ich mir: dann versuchen wir die Nachtmahlzeiten auch zu stillen!? Und siehe da: ich darf zwar nicht gemütlich dabei Liegen, aber das Stillen klappt zwei Mal nachts hervorragend! Und auch das Frühstück wird stillend eingenommen…

Und was soll ich sagen: die gerade erwähnte Flasche war die letzte, die er getrunken hat.

Vollstillen! ?

Diese letzte Flasche ist nun genau eine Woche her!

Eine Woche voller mehr oder weniger stressigen Stillmahlzeiten. Aber genau so war es auch mit den Flaschen-Mahlzeiten. ?

Das Herzkind ist sehr empfindlich, was seine Vorgänge im Körper angeht. Bei Bäuerchen und Pupsen ist er am Weinen. Also auch, wenn die während der Stillmahlzeit kommen, was sehr wahrscheinlich ist. Also wird davon die Stillmahlzeit regelmäßig unterbrochen.

Dann kann man auch auf GAR KEINEN FALL Stillen, wenn da noch ein Mikrogramm von irgendetwas am Popo klebt, was da nicht hingehört. Selbst wenn man kurz vorm Verhungern ist.

Dann ist auch die Zeit, bis der Milchspendereflex ausgelöst ist, eine kaum auszuhaltende Zeitspanne! (Bei mir dauert das keine Minute und wird inzwischen schon von seinem Brüllen ausgelöst ??)

Und dann kommt ja direkt zu VIEL Milch. Kein entspanntes Tröpfeln wie bei der Flasche. Und wenn dann die Zeit der großen Schlucke vorbei ist, ist der Rest wahrscheinlich zu anstrengend ???‍♀️

Aber trotzdem kommen wir immer irgendwann an den Punkt, dass er sich entspannt räkelnd wegdreht und anfängt, neugierig und entspannt die Gegend abzuchecken! ?

Meine Hoffnung: dass die Zeit des unentspannten Trinkens ab- und die des zufriedenen Umherschauens zunimmt! ?

Wir feiern einfach mal eine Woche Stillen! ?

PS: ich bin allerdings sehr sehr müde, denn anfangs hab ich noch 4, jetzt 3 mal täglich hinterher gepumpt, damit immer genug Milch einfach für ihn zu holen ist…gääähn!

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