So langsam ist das Baby immer länger wach. Was dabei auffällt: es ist nie zufrieden. ?
Aus dem Schlaf wach geworden, verzieht er direkt 10 Sekunden später das Gesicht und weint.
Windel voll? Weinen.
Pups vorhanden (nicht mal quer sitzend): Weinen.
Gerülpst? Weinen.
Vorm Stillen, und beim Stillen alle paar Minuten: Weinen.
Ins Tuch gebunden: Weinen.
Und wenn er weint, spannt sich sein ganzer Körper an und ein wahrscheinlich erhöhter Muskeltonus sorgt dafür, dass er sich wie ein Flitzebogen nach hinten biegt. ?
Und wenn er sich wie ein Flitzebogen biegt, geht nix mehr. Nicht im Wiegegriff halten, nicht Stillen, nicht ins Tragetuch packen. Ich kann ihn dann kaum halten. ?
Ein – mich sehr zermürbender – Teufelskreis.
Nicht nur, dass ich 8 Stunden am Tag angeschrien werde, sondern es ist auch schade für ihn. Wie soll er denn etwas lernen, wenn er gar nicht zufrieden wach sein kann? Wenn das Gehirn permanent auf Alarm ist?
Noch im SPZ sagte die Ärztin dass es Prio wäre, ihn zu entspannen. Kaum hatte sie es ausgesprochen wurde es auch immer schlimmer.
Die Situation hat sich innerhalb einer Woche extrem zugespitzt und ich habe bei allen Physiotherapie Praxen angerufen und um Termine gebettelt.
Und heute war es so weit. Wir haben einen Nachrück-Termin bekommen! Bei einer fußläufig erreichbaren Praxis. Ein Traum!
Das hat das Herzkind ein wenig anders gesehen und war von der Therapieeinheit jetzt nicht so begeistert wie ich ???
Aber ich bin erleichtert. Es ist so beruhigend etwas dagegen tun zu können! Nach 25 Minuten habe ich ein „rundes“ Kind ins Tuch binden können! ?
Ab jetzt heißt es, 5 mal täglich Druckpunkte setzen, damit die vordere Bauchmuskulatur aktiviert wird (Vojta).
Wir hoffen, dass durch diese zusätzlichen Einheiten seine Zufriedenheit schnell wieder hergestellt wird! Denn das würde nicht nur ihm, sondern auch der Familie gut tun. Die große Schwester würde auch mal gerne mit einem entspannten Baby spielen…
Und mir wird noch klarer: für ihn wird das Leben erst einmal täglich mehrfach Übungen und Medikamente bedeuten. Und unsere Aufgabe als Eltern wird es sein, das so „normal“ und beiläufig wie möglich zu gestalten, damit es weder ihm noch uns zur Last und Bürde wird.
Ich wusste von diesen ganzen neuen „Eltern-Aufgaben“ echt nix. Puh. ? Chapeau an alle Eltern, die das täglich schon jetzt rocken!
Als Eltern-Coach würde ich natürlich andere Eltern fragen, warum sie Therapie-Einheiten und Medikamenten-Gaben als Last und Bürde empfinden. Und ja: diese Fragen stelle ich mir gerade auch! Mir persönlich kratzt das an meinen Bedürfnissen nach Leichtigkeit, Freiheit und Flexibilität. Aber das sind ja meine Bedürfnisse.
Diesen Aufgaben meines Sohnes von Anfang an den Stempel „Last und Bürde“ aufzudrücken wäre nicht nur doof, sondern auch falsch im Sinne der bewussten Elternschaft.
Die Medikamente sichern sein Überleben, ermöglichen es ihm und uns gemeinsam zu Hause zu wohnen und das Leben zu leben! Die Physio-Übungen ermöglichen ihm, seinen (hyperthonen) Muskeltonus in den Griff zu bekommen, zu entspannen und später auch die Entwicklungsschritte (Drehen, Krabbeln, Laufen) bewältigen zu können.
Diese Aufgaben sind also notwendig wie zum Beispiel das Zähneputzen. Und meine große Tochter schaue ich ja auch nicht bedauernd an und sage: das tägliche Zähneputzen ist eine Last und Bürde!
Wie bekomme ich nach diesem tiefsinnigen Teil wieder den Bogen? Ach ja. Unser Ziel ist es einfach, dass er möglichst zufrieden ist! Denn dann ist für alle das Leben entspannter und er hat die Möglichkeit viel zu Lernen! ?