… ungefähr 66 Stunden nach Geburt.
Heute morgen, also 60 Stunden nach Geburt, hab ich den tapferen kleinen Mann das letzte Mal besucht. Danach würde ich stören, denn sie machen ihn bereits auf der Intensivstation für die OP fertig. Legen neue zusätzliche Zugänge für noch mehr Infusoren, Perfusoren und Monitore.
Der Kleine lässt sich von allen Plänen und Sorgen, die für ihn und um ihn herum gemacht werden, so gar nicht beeindrucken. Er schläft. Warm, satt, trocken scheint ihm zu reichen. Zum Glück. Ein unausgeglichenes und weinendes Baby dort alleine liegen zu sehen, hätte ich wahrscheinlich nicht ertragen können.
Und dann war es Zeit, mein Transport kam. 8 Uhr. Zeit den Pflegern Zugang zum Herzkind zu gewähren. Nachdem ich ihm versichert hatte, dass alles gut wird, er nach einem blauen Traum aufwacht und kein Streifen mehr verrutscht ist, er später viel Pommes mit Majo essen kann und ich mich auf einen tollen gemeinsamen Sommer mit ihm freue, bin ich gegangen.
Besser gesagt, gefahren worden. Denn an Tag 3 nach einer Kaiserschnitt-Geburt mit anschließendem Aufenthalt auf der Intensivstation wegen eines HELLP Syndroms ist man weder fit, noch erlauben einem die Ärzte anstrengende Ausflüge.
Und nun liege ich auf meinem Zimmer auf der Gynäkologie. Zum Ausruhen und Entspannen verdammt wegen meines Blutdrucks und der Kaiserschnitt-Wunde und übe mich im Warten.
Der Mann ist in Mettmann und wartet. Zum einen ist keine Besuchszeit. Zum anderen ist er Erkältet. Und drittens muss ja auch die große Schwester wieder von der Tagesmutter abgeholt werden. Alles ein Spagat. ?
Mittags oder früher Nachmittag war die Ansage. Genauer geht es im Klinikalltag während eines Streiks nicht.
Und so lenke ich mich ab. Milch abpumpen geht. Essen geht. Die Physio kommt, ich bedanke mich für die Ablenkung und Abwechslung. Blutdruck messen, auch eine Ablenkung. Die Ärztin kommt. Zum Glück erlaubt sie mir ein paar Meter auf dem Flur! Schonen und gleichzeitig aufregen geht einfach nicht!
Draußen Gewitter. Dann Sonnenschein. Auf dem Handy unzählige Mut machende Nachrichten.
Ich merke, wie mein Hirn zuverlässig verhindert, dass irgendwelche Bilder entstehen.
Ich fange an, mich zu beobachten und diesen Artikel zu schreiben. So viele Eltern habe ich gefragt, wie sie solche Situationen durchstehen und ich konnte es mir nur schwer vorstellen. Jetzt weiß ich es. Irgendwie ist es das Gefühl vor einer mündlichen Prüfung…nur dass man keine Prüfung hat und ein Gefühl dafür entwickeln kann, wie man so dasteht. Man wartet direkt auf das Ergebnis…
Ich pfeife meine Schwester an, weil ich bei jedem „Bing“ vom Handy einen Herzkasper bekomme. Bei meinem Blutdruck eher semi-optimal. Merken fürs nächste Mal: alle bekommen entweder Nachfrage-Verbot oder wir erzählen keinem von den Untersuchungen oder OP-Terminen. ?
Als das Handy klingelt, komme ich aus dem Tiefschlaf! Ich bin anscheinend bei „Wicky und die starken Männer“ doch eingepennt. Die Erschöpfung hat mich anscheinend umgehauen.
„Alles gut verlaufen!“ höre ich meinen Mann sagen. Und bei mir plumpsen riesengroße Steine vom Herzen. Er hatte sogar noch ein paar Details für mich. Die konnte ich allerdings nicht abspeichern in dem Moment.
(diesen Blog-Artikel habe ich live geschrieben und später nur noch leicht überarbeitet)